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ewige „Es werde" sorgt für Ausgleich. Derselbe
Sturm, der zur Vernichtung zu brausen scheint,
hilft aufbauen und der gefahrdeten Küste errichtet
er schützende Bastionen; aus seinem Meerssand
tragt er die machtigen Dünen zusammen, an deren
zahen Widerstand die Urkraft der See sich bricht.
Und dem gleichen Schöpferworte folgend tragt
auch der Mensch den Lebenswillen als Kampfes-
willen in der Brust, und jetzt die Vernunft gegen
die rohe Gewalt und seine Scholle trotzt er dem
Meere ab; und zwingt das nasse Element in seinen
Dienst, und Völker scheidend und Erdteile tren-
nend, wird das Meer durch Menschenwille und
Menschengeist trotzdem zur Völkerbrücke. Des
Zeuge sind die dunklen Schatten machtiger Damp-
fer, die langsam om fernen Horizont vorbeiziehen,
des Seuge ist der grosze Segler, der im stolzen
Aufbau seiner Masten in steter Fahrt vor dem
Winde daherzieht, einer der wenigen übriggeblie-
benen Representanten einer Schiffsgattung, die in
vergangenen Zeiten die Poesie und Romantik des
Fahrens durch die Meere trug.
Langsam sinkt der Sonnenball im Westen, Rot
farbt sich der Himmel und graue Wolkengebilde
schwimmen wie in einem Meer von Blut. In
finsterm Purpur wogt die See. Nur einen Streifen
feurigen Lichtes wirft die untergehende Sonne
über die dunkle Wasserwüste. Auf den Strand
rollt weisz leuchtend die Brandung und wirft im
zurückflutenden flachen Wasser die ungeheure
Glut des Firmaments spiegelnd zurück.
Der Abend senkt sich hernieder. Scheidend sen-
det die Sonne allmahlich verlöschende letzte
Strahlen über das Firmament, dann versinkt sie als
glühender Ball in der Flut. Der Himmel verblaszt,
silbergrauer Nebel hüllt die Ferne ein. Graugrün
wogt die See. Von fernher blickt das wechselnde
Licht des Leuchtturmes und mit prallen Segeln
halten Fischerboote auf die Küste zu, den heimat-
lichen Hafen vor Einbruch der Nacht zu erreichen.
Unendlich melancholisch liegt im letzten Tages-
schimmer die Düne. Wie flatternde Haare auf
weiszen Totenschadeln wehen im Abendwinde auf-
den Köpfen der Dünen die fahlen Graser, und
dunkle Schatten hangen schwer wie Trauermantel
von ihren Flanken herab in schaurig finstere Taler.
Unheimlich drohend, durch den Nebel noch gigan-
tischer erscheinend, ragt fern am Strande das
Wrack des englischen Dampfers, der im Welt-
kriege vor dem deutschen Unterseeboot flüchtend,
hier die Küste anlief4) und vor dem ungeheuren
Steinwall, der an dieser Stelle eine Lücke in der
Dünnenkette schlieszt, sich auf den Sand setzte.
Eine englische Gesellschaft hat spater das Wrack
angekauft, um das Material zu verwehrten. Das
Ende eines Dramas, deren sich in dieser Gegend
so viele abgespielt haben! Eine gewaltige See-
schlacht lieferten an dieser Küste, nördlich von
Bergen, im Jahre 1673 die Hollander unter ihren
groszen Admiralen de Ruyter und Cornelis Tromp
der vereinigten englisch-französischen Flotte und
schlugen sie aufs Haupt. In den Dünen bei Bergen
erinnert ein Denkmal an die in der Schlacht bei
Bergen 1799 gevangenen 13000 Russen, die im
Verein mit 10000 Englandern an der Nordspitze
Nordhollands gelandet waren, um den Franzosen,
die die Niederlande besetzt hielten, in den Rücken
zu fallen. Die Russen hatten sich in der Dünen-
wüste verirrt und muszten vor den Franzosen die
Waf f en strecken, wahrend die Englander in dem
Gefecht bei dem nahe gelegenen Castricum von
der Uebermacht des französischen Generals Brune
an die Küste und auf ihre Schiffe zurückgeworfen
wurden. Etwas Züdlich von Bergen aber liegt das
Dorf Egmond binnen, mit dem von den Spaniern
zerstörten Stammschlosse des unglüchlichen Gra-
fen Egmond, der sein Eintreten für die Freiheit
seines Volkes auf der Grande Place in Brüssel, in
Vereinigung mit seinem Freunde, dem Grafen van
Hoorne, auf dem Schaffot büszen muszte. Und
jenfeits der Düne, am Strande bei Egmond aan
Zee, erinnert ein steinerner Löwe an den helden-
mütigen Leutnant zur See van Speijk, der im
Kampfe gegen die aufstandischen Belgier im Jahre
1831 den Freischalern, die in sein bei Antwerpen
auf den Strand gelaufenes Kanonenboot eingedrun-
gen waren, auf ihre Aufforderung sich zu ergeben,
antwortete; „Dat nooit, dan liever de lucht in"
(Niemals, dan lieber in die Luft fliegen) und durch
einen Schusz in die Pulverkammer sich und die
Feinde in die Luft sprengte.
Wir wandeln wieder zurück über den öden
Strand zu den Menschen, und der Wind um-
braust uns, der aus der dunklenden Unendlichkeit
geboren, uns halb vergessene Geschichten zuraunt
aus langst vergangenen Zeiten, und Marchen und
uralte Sagen rauscht uns die Brandung. Es ist, als
ob die Seele des Meeres klage um vieltausend-
jahriges Menschenschicksal und Menschenleid.
Von der Höhe der Düne aber strahlt mit weit
leuchtenden Fenstern des Hotel in den Abend
hinein. Und fröhlich geputzte Menschen leben dem
Heute bei Musik und Tanz und vergessen, dasz
auch die Tragik geboren wurde, als das ewige
„Es werde" das Leben schuf. „Es lebe das Leben!"
H. v. M.
1) Hier vergist de schrijver zich. Dfeze boot s
tijdens een storm op 't strand geslagen toen hij
naar Hamburg werd vervoerd om gesloopt te
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